Montag, 17. November 2014

Backhaus rückt von Maisverbot ab

Anbau der Körnerpflanze in MV verdoppelt. Behörden sehen Auswirkungen auf Luft und Wasser. Bauern weisen Kritik zurück.

Mais, so weit das Auge reicht: Der Anbau der Körnerpflanzen hat sich seit 2005 in MV nahezu verdoppelt – von 79 000 auf 147 000 Hektar. Besonders betroffen: Der Landkreis Ludwigslust-Parchim hat sich zur größten Anbauregion des Landes entwickelt, geht aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage des Grünen-Landtagsabgeordneten Johann-Georg Jaeger hervor. Zwischen Boizenburg und Plau steht jede vierte Maispflanze des Landes. Binnen zehn Jahren hat sich dort der Anbau um 50 Prozent auf 44 300 Hektar erweitert – so stark wie in keiner anderen Region.

Die Auswirkungen sind spürbar: Der massive Maisanbau führe zu einer Verarmung der Landschaft, gefährde die Bodenfruchtbarkeit und führe zu Monokulturen mit verstärktem Schädlingsbefall, erklärte Burkhardt Roloff vom Bund für Umwelt und Natur (BUND): „Ein hausgemachtes Problem.“ Auf den Flächen würden große Mengen Gülle ausgebracht, die auf den leichten Böden schnell ins Grundwasser gelangen könne. Anwohner rund um Ludwigslust berichten von Feldern, auf denen seit Jahren immer wieder Mais ausgebracht wird – ohne Fruchtwechsel, wie es die gute fachliche Praxis, auf die sich die Bauern gern berufen, erfordert. Harald Elgeti, Chef des Kreisbauernverbandes Ludwigslust, berichtet selbst sogar von „Flächen, auf denen seit 20 Jahren Mais“ angebaut werde. Jahr für Jahr Mais auf einer Fläche – das sei durch die gute fachliche Praxis gedeckt, meinte Elgeti: „Das ist nicht verboten.“

Inzwischen werden mit dem massiven Maisangebot in Ludwigslust-Parchim so viele Biogas-Anlagen wie in keinem anderen Gebiet gefüttert. Dort steht jede dritte der 247 Biogasanlagen in MV mit mehr als 250 Kilowatt Leistung, geht aus einer Standortanalyse des Wirtschaftsministeriums hervor. Aus gutem Grund, meinen die Landwirte. In der Region mit minderer Bodenqualität könnten z. B. keine Zuckerrüben oder auch Weizen angebaut werden, erklärte Elgeti: „Da ist Mais eine Alternative.“

Allerdings hat das Folgen für die Luft und das Wasser: So hat in MV die gesundheitsgefährdende Nitratbelastung im Grundwasser stark zugenommen. Bei fast jeder fünften der 260 Grundwassermessstellen im Land sind die zulässigen Grenzwerte von 50 Milligramm je Liter bereits überschritten worden, teilte die Landesregierung im Sommer in einer Parlamentsanfrage mit. Vor allem in Ludwigslust-Parchim: 19 der 50 Messstellen, an denen die Höchstwerte überschritten wurden, liegen in der Region. Kritiker sehen den Hauptgrund für die steigenden Nitratwerte in der intensiven Düngung, vor allem mit Gülle. Gefahr auch in der Luft: So kommt das Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie in Güstrow im Emissionskataster zu dem Schluss, dass u. a. Biogasanlagen zu einem deutlich höheren Ausstoß von Stickoxiden in MV geführt haben. Auffällige Regionen: u. a. Hagenow und südlich von Schwerin.

Für die Bauern sind die Umweltbeeinträchtigungen nicht spürbar: Grundwasserbelastungen in der Region hätten ihre Ursache in der DDR-Zeit, nicht aber in der jüngeren Vergangenheit und dem Maisanbau, wies Bauernchef Elgeti Kritik zurück.

Änderungen sind nicht in Sicht: Noch im Sommer hatte Landwirtschaftsminister Till Backhaus (SPD) drastische Maßnahmen gegen die Vermaisung des Landes angekündigt und über ein Anbauverbot nachgedacht – um Monate später davon wieder abzurücken. Kontrollen hätten „keine Verstöße gegen geltendes Recht“, ergeben. „Administrative Vorgaben“ seien „nicht sachgerecht“, ließ er mitteilen. MV werde daher „nicht durch Sanktionen, sondern durch verstärkte Anreize“ versuchen, Mais-Monokulturen zu minimieren.
http://www.svz.de/mv-uebersicht/mv-wirtschaft/backhaus-rueckt-von-maisverbot-ab-id8208556.html